Auszug aus der Serie über russischsprachige Vereine in Deutschland.

Eine Untersuchung der Räume in denen sich russischsprachige Emigranten, Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge treffen.

 

 

Eine Geschichte über das Vereinsleben der russischsprachigen Menschen in Deutschland.

Das Vereinswesen hat sich zu einer wichtigen Säule einer sozialen und demokratischen Gesellschaft entwickelt und ist für viele Menschen zu einem Zufluchtsort geworden. Auch Migranten, die sich in Deutschland eingefunden haben, zeigen großes Interesse an einer solchen gesellschaftlichen Lebensform. Integration durch Vereine und in Vereinen werden oft miteinander in Verbindung gebracht. Dies ist aber auch oft umstritten. Selten nden Migranten den Weg in einen Traditionsverein, wie zum Beispiel einen Schützenverein. Die Entwicklung zeichnet sich eher in die Richtung einer Segregation, eines Zusammenschlusses von Landsleuten in eige- nen Kreisen, anstatt eines Eintauchens in einheimische Gruppen. Der Prozess der Sozialintegration eines Menschen mit Migrationshintergrund besteht aus Annäherung und gegenseitiger Auseinandersetzung, einer Übernahme gemeinschaftlicher Verantwortung.Es geht nicht um eine völlige Anpassung, vielmehr ermöglicht eine erfolgreiche Integration überhaupt eine Teilnahme am gesellschafttlichen Leben der Aufnahmegesellschaft. In einer multikulturellen Gesellschaft kann eine Form der Integration auftreten, die es Einwanderern gestattet, die Kulturidentitäten ihrer Herkunftsgesellschaft aufrecht zu erhalten, die auch wiederum die Aufnahmegesellschaft herausfordert und beeinflusst. Man spricht dabei von einer „Integration nach Innen“. Gerade in einer Phase des Ankommen sind Zuwanderer besonders auf interne Netzwerke angewiesen und finden diese verstärkt in den lokalen Vereinen.

 

Das Vereinswesen ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kultur. Es ist ein großes Stichwort, wenn es um die Frage der Freiheit geht. Sich zu vereinen, zu versammeln, Gemeinschaften zu bilden, war nicht immer selbstverständlich, besonders für Frauen und Kinder.

Ein Verein ist eine freiwillige und auf Dauer angelegte Vereinigung von natürlichen und/oder juristischen Personen. Es gibt viele unterschiedliche Vereine, mit jeweils eigenen Zielen und Interessen. Während ein Verband eine überregionale Vertretung und Beeinflussung der Öffentlichkeit beansprucht, sind die Vereine eher als lokal und gesellig einzuordnen. Das Vereinswesen in Deutschland heute scheint eine unklare Dynamik zu haben, zwar gibt es eine rasant steigende Anzahl der gegründeten Vereine, gleichzeitig aber sinkt die Anzahl der Mitglieder. Dennoch hat knapp die Hälfte der deutschen Gesellschaft eine Vereinsmitgliedschaft. Besonders beliebt sind dabei Sportvereine, Kleingarten- sowie Tierzüchtervereine, Kegelklubs und Musik- und Gesangsvereine. Walther Müller-Jentsch unterteilt die Vereine in drei Klassen, Selbstzweck-Vereine, ideelle Vereine und Selbst-/Fremdhilfe-Vereine.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit russischsprachigen Einwanderern, die nach der „Perestrojka“-Ära Ende der 1980er Jahre nach Deutschland ausgewandert sind. Der größte Teil der nach Deutschland kommenden russischsprachigen Menschen aus den damaligen UdSSR-Gebieten besteht aus Familienangehörigen jüdischer Herkunft (den Kontingentflüchtlingen) und den Russland- deutschen (den Spätaussiedlern). Spätaussiedler Am 22. Juli 1763 erließ Katharina die Zweite (die erste Deutsche auf dem russischen Zarenthron) ihr Einladungsmanifest, in dem sie Aussiedler (hauptsächlich Bauern und ihre Familien aus Deutsch- land) zum Arbeiten einlud. Das Angebot erschien zu den Zeiten sehr verlockend, denn es versprach diesen Aussiedlern gesonderte Privilegien. Viele Menschen zogen nach Russland, um das von den Türken abgetretene Land neu zu besiedeln. Seitdem siedelten sich die Kolonisten aus Deutschland, sei es an der Wolga, in der Ukraine oder dem Kaukasus, in geschlossenen Dörfern an. Sie hielten an den Traditionen der Vorväter fest und verstanden sich als Zeitarbeiter, die eines Tages zurückkehren würden. Vor dem ersten Weltkrieg lebten im gesamten russischen Reich rund 2.416.290 Deutsche.

Mit Chruschtschow wurden zu Beginn der 1960er Jahre Synagogen mehrheitlich geschlossen und die jüdische Zugehörigkeit im Sowjetischen Pass als Nationalitätenvermerk eingetragen.

 

Die Identifzierung der Juden als solche bedeutete für die Menschen soziale Ungerechtigkeit und direkte Diskriminierung seitens der Gesellschaft und des Staates. Viele Menschen versuchten zu der Zeit ihre jüdische Zugehörigkeit mit allen Kräften zu vertuschen.

Die Regierung wechselte, und auch die Stimmung der russischen Gesellschaft. Die gesonderte Stellung der erfolgreichen Deutschen wird am 18. August 1914 endgültig abgeschafft und eine starke Zwangsrussifzierung setzte ein. Seit dem ersten Weltkrieg litten Deutsche an Diskriminierung, Enteignung und Zwangsversetzung. Erst 1955 gelingt es den ersten wenigen deutschen Familien zurück nach Deutschland zu iehen. 1989 lebten in der Sowjetunion 2.040.000 Deutsche, davon 960.000 in Kasachstan, 840.000 in Russland, der Rest vor allem in Kirgisien, Usbekistan und der Ukraine. 1990 beginnt eine Massenauswanderung der Russlanddeutschen in das Land ihrer Vorväter und bis heute suchen viele dieser Familien den Weg zurück nach Deutschland. Alle diese Menschen haben sich in den ehemaligen Staaten der UdSSR als Deutsche identifiziert, auch wenn nur noch wenige Familien der deutschen Sprache mächtig waren. Die Rückkehr in das Heimatland ihrer Vorväter ist eine große Herausforderung und bedeutet eine erneute Integration.

Kontingent Flüchtlinge Seit 1991 haben Juden und Menschen mit jüdischen Vorfahren die Möglichkeit aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als Kontingent üchtlinge nach Deutschland einzureisen. Zu den Zeiten der ehemaligen Sowjetunion erleben Menschen jüdischer Abstammung Zwang, Unterdrückung, Pogrome und gewalttätige Übergriffe. An zu vielen Ecken auf der Welt haben Juden mit stark ausgeprägtem Antisemitismus zu kämpfen. Nach der Revolution in Russland im Jahre 1917 bildeten sich lebendige Zentren der jüdischen Diaspora. Das Judentum erlebte eine Blütezeit in Osteuropa. Alle Gesetze, die zur Beschränkung und Diskriminierung von Juden beigetragen hatten, wurden aufgeboben, was dazu beitrug, dass in kürzester Zeit jüdische Intellektuelle ins Zentrum der Gesellschaft rückten und immer mehr Juden in den osteuropäischen Raum gezogen sind. Während des Kalten Krieges wandte sich das Blatt erneut und jahrzehntelang übte die Sowjetunion Druck auf ethnische und religiöse Minderheiten aus.

 

Bis 1952 waren fast alle jüdischen nationalen Institutionen aus der UdSSR verschwunden. Dies war so gut wie unmöglich, denn jeder wurde als Jude eingetragen, auch wenn diese Person nur weitläufig betroffen war und sich nicht mit der jüdischen Geschichte, Religion oder Tradition identifizierte. In den 1980er Jahren blieben die letzten Kräfte vieler Juden aus. Angst, Enttäuschung und Ungewissheit veranlassten die Menschen wieder zur Flucht. In den 1990er Jahren gab es dazu drei Ausreiseoptionen: USA, Israel oder Deutschland.

Heute haben sich sowohl die Spätaussiedler als auch die jüdischen Kontingentflüchtlinge eingelebt und sich fest mit eigenen sozialen Strukturen etabliert. Es gibt russischsprachige Fachärzte und Supermärkte, Restaurants, Unternehmen und zahlreiche eingetragene Vereine, die hier in den Fokus gerückt werden.

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